Was ist auf dem CHF-Anleihenmarkt nach den Zinserhöhungen zu erwarten?

Von Oliver Hildebrand, Head of CHF Bonds, Pictet Asset Management

Dynamik des CHF-Anleihenmarktes

Nach der grossen Finanzkrise erlebten die grössten Volkswirtschaften der Welt Rezessionen in einem Ausmass, wie es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hatte. Um das Wachstum wieder anzukurbeln, senkten die Zentralbanken vieler Industrieländer die kurzfristigen Zinssätze auf ein noch nie dagewesenes Niveau und griffen auf eine unkonventionelle Geldpolitik zurück. Diese beinhaltete massive Liquiditätsspritzen, auch bekannt als «quantitative Lockerung».

Ihren Höhepunkt erreichten diese Massnahmen mit der Covid-Krise. Die Gesundheitskrise brachte Volkswirtschaften zum Stillstand und löste noch nie erlebte geldpolitische Reaktionen aus, welche die Grundlage für die darauffolgende Inflationswelle bildeten. Die überraschend schnelle Erholung des Wachstums führte in Verbindung mit Lieferkettenengpässen zu einem Anstieg der Verbraucherpreise, während die russische Invasion der Ukraine eine Energiekrise auslöste, die in hohen Erdgaspreisen resultierte. Um den drastischen Anstieg der Inflation einzudämmen, haben Zentralbanken wie die US-Notenbank, die Schweizerische Nationalbank oder die Europäische Zentralbank die Leitzinsen aggressiv angehoben. Die Schweizerische Nationalbank zum Beispiel erhöhte ihren Leitzins in etwas mehr als einem Jahr um 2 %, von -0,75 % auf 1,75 %. Diese Zinserhöhungen haben sich auf die gesamte CHF-Swapkurve ausgewirkt, wobei sich die Niveaus für alle Laufzeiten 2 % annäherten. (siehe Abbildung 1)

 

Abbildung 1: Entwicklung der CH-Swap-Sätze. Quelle: Pictet Asset Management, Bloomberg per 31.10.2023

 

Die Folgen für Obligationeninvestoren waren erhebliche Verluste im Jahr 2022. So war die Performance des Swiss Bond Index AAA-BBB mit -12,1% eine der schlechtesten in der Geschichte. Positiv ist jedoch, dass Obligationen aktuell zu höheren Zinsen ausgegeben werden, was Anleger wieder anzieht und zu einem Anstieg der Transaktionen auf dem Primärmarkt führt, sowohl von inländischen als auch von ausländischen Emittenten.

Wo sehen wir einen Wert im Markt für Franken-Anleihen?

Wir denken, dass jetzt ein guter Zeitpunkt für Schweizer Anleger ist, um wieder CHF-Anleihen zu kaufen. Die Schweizerische Nationalbank könnte ihr Zinsziel mit 1,75% erreicht haben, da die Inflationszahlen nun unter der 2%-Schwelle liegen. Dies sollte zu einer geringeren Volatilität am Anleihenmarkt führen. Zudem nähern sich die Renditen von Obligationen wieder dem Niveau der Dividendenrenditen von Aktien und der Renditen von Immobilienanlagen an. Im Vergleich zu Immobilien bieten Obligationen zudem eine wesentlich bessere Liquidität und geringere Volatilität.

Wahl des Benchmarks

Die Swiss Bond Index (SBI)-Familie bietet eine breite Palette von Anlagemöglichkeiten. Am einfachsten ist es, den gesamten Index oder den SBI AAA-BBB mit einer Laufzeit von sieben Jahren und einer Rendite von 1,65% zu wählen. Wenn Sie ein geringeres Kreditrisiko und eine längere Laufzeit bevorzugen, ist ein Index wie der SBI AAA-AA eine Alternative. Letztendlich werden diese Entscheidungen von den Erwartungen der Anleger an die Wirtschaft und die künftigen Massnahmen der Zentralbanken beeinflusst. Neuerdings können Schweizer Anleger auch den SBI ESG-Index wählen, der eine nachhaltige Alternative zu den traditionellen Indizes bietet.

Wahl des Anlagestils – wie legt man erfolgreich passiv an?

Sobald ein Index ausgewählt wurde, muss der Anleger entscheiden, ob er eine aktiv oder passiv verwaltete Umsetzung wünscht.

Ziel des passiven Ansatzes ist es, die Leistung eines Referenzindex mit einem ähnlichen Risikoniveau oder einem geringen Tracking Error nachzubilden. Ein Index setzt sich aus verschiedenen Sektoren, Ländern, Laufzeiten und Ratings zusammen. Wir versuchen, diese Merkmale nachzubilden und gleichzeitig die Auswahl der Emittenten kosteneffizient zu optimieren.

Die Originalität unseres Ansatzes besteht darin, dass wir die Auswahl der Unternehmen als Hauptelement der Nachbildung der Benchmark betrachten. Dadurch können wir einen sehr niedrigen Tracking Error beibehalten, das spezifische Risiko jedes Emittenten besser kontrollieren, die Transaktionskosten minimieren und die Liquidität des Portfolios verbessern. Die Methode basiert auf drei Säulen:

Geschichtete Stichprobe: Zur Nachbildung der Benchmark verwenden wir die Methode der geschichteten Stichprobe. Die Portfolios behalten in jedem Volatilitätsumfeld eine risikoarme Abweichung vom Index bei, indem sie die geringe Über- bzw. Untergewichtung von Emittenten, Sektoren, Ländern und Rating-Klassen an die Volatilität der Zinssätze und des Kreditmarktes anpassen. 

Optimierung der Auswahl: Die Optimierung der Anleihenauswahl erfolgt für jede Transaktion und monatliche Indexänderung auf Emittentenebene. Die Namen, die nach unserer Fundamentalanalyse als stark eingestuft werden, werden dabei leicht übergewichtet. Indem wir den Index nachbilden und uns dabei auf einzelne Emittenten konzentrieren, bilden wir automatisch alle übergeordneten Dimensionen ab: Sektoren, Laufzeitbereiche, Ratingkategorien und Länder. So erreichen wir für jede Risikokategorie ein Gesamtengagement, das den Index so genau wie möglich widerspiegelt. Wir verwenden keine Instrumente, die nicht im Index enthalten sind.

Darüber hinaus streben wir eine bessere Liquidität des Portfolios im Vergleich zum Index an, indem wir Anleihen auswählen, die bei gleichen Zinssätzen niedrigere Transaktionskosten und/oder ein ähnliches Kreditrisiko aufweisen. Wir meiden auch kleine, illiquide Emissionen, die von wenig bekannten Emittenten ausgegeben werden.

Kostenoptimierung: Die Reduzierung und Kontrolle der Kosten wird durch beste Ausführung, einen guten Zugang zum Primärmarkt, Kreuzungsmöglichkeiten zwischen Fonds und einer starken Präferenz für Anleihen mit niedriger Geld-Brief-Spanne ermöglicht. So ist es uns gelungen, die durchschnittlichen Geld-Brief-Kosten des Marktes um etwa 50 % zu senken und somit die Zeichnungskosten für den Beitritt zum Fonds zu reduzieren. Wir führen keine internen Investmentbanking-Aktivitäten durch und es fallen keine Provisionskosten an.

Die detaillierte Portfoliokonstruktion erfolgt in 4 Schritten:

a. Analyse der Benchmark

In einem ersten Schritt unserer Portfoliokonstruktion analysieren wir die Merkmale der Benchmark und unterteilen den Index gemäss folgender Risikomessungen:

   – Einzelne Emittenten
   – Laufzeitenbereich (1-3 Jahre; 3-5 Jahre; usw.)
   – Sektor (Staatsanleihen, Pfandbriefe, usw.)
   – Rating (AAA, AA+, AA, usw.)
   – Land

b. Portfoliokonstruktion

Die richtige Portfoliokonstruktion beginnt mit der Auswahl der einzelnen Emittenten. Auf diese Weise können wir das spezifische Risiko jedes Emittenten besser kontrollieren und andere Dimensionen (Sektor, Laufzeit, Rating, Land, usw.) nachbilden. Darüber hinaus können wir uns bei der Bewertung einzelner Emittenten auf die Meinung unserer Kreditanalysten verlassen. Diese ermöglichen uns, das Kreditrisiko im Portfolio so weit wie möglich zu reduzieren. Anschliessend überprüfen wir, ob eine Feinabstimmung unseres Einzelengagements nötig ist, bis jede Dimension in einem iterativen Prozess neutralisiert wurde. Das Endportfolio besteht in der Regel aus 60 % bis 80 % der Benchmark-Bestandteile. Die optimale Grösse hängt von der aktuellen Marktliquidität und der Grösse des Portfolios ab.

c. Risikomessung und -anpassung

Der Tracking Error wird täglich auf verschiedenen Ebenen (Titel, Sektor, Rating) überprüft. Liegt der Tracking Error während der Portfoliokonstruktion über dem festgelegten Grenzwert, wird die Zusammensetzung des Portfolios geändert. Dieser Prozess wird so lange fortgesetzt, bis das gewünschte Risikoniveau erreicht ist. 

d. Konstante Überwachung

Der Anlageverwalter überwacht die Positionen im Vergleich zur Benchmark und nimmt bei jeder erforderlichen Gelegenheit Änderungen in der Zusammensetzung des Portfolios vor, beispielsweise bei Couponzahlungen, Zu- und Abflüssen im Portfolio oder Benchmarkänderungen.

Zudem beinhalten unsere passiven Strategien eine ESG-Komponente, indem der Fonds einen besseren CO2-Fussabdruck als die Benchmark anstrebt, ohne dabei den Tracking Error des Fonds zu erhöhen. Genauer können dank der geschichteten Stichproben-Methode und der Selektionsoptimierung Unternehmen mit einer positiven CO2-Bilanz leicht übergewichtet und solche mit zu hohen CO2-Emissionen untergewichtet werden.

Fazit

Nach über zehn Jahren im Niedrigzinsumfeld sind auf CHF lautende Obligationen dank höherer Renditen wieder eine attraktive Anlagelösung. Für Anleger, die empfindlicher auf relative Performance-Schwankungen reagieren, ist eine passive Anlagelösung eine interessante Wahl. Anleger, die von Marktdiskrepanzen auf dem Rentenmarkt profitieren wollen, können diese durch die Wahl eines aktiven Anlageverwalters ausnutzen.