Wachstumfreude statt Sorge

Susanne Kapfinger, Ökonomin und Leiterin Redaktion AWP Soziale Sicherheit

Die 13. AHV-Rente kann ab 2026 ausbezahlt werden. Das Parlament hat grünes Licht dafür gegeben. Nicht geregelt ist allerdings die Finanzierung. Unabhängig vom «Dreizehnten» belastet die Bevölkerungsalterung die AHV-Bilanz. Der AHV-Fonds wächst zwar, voraussichtlich aber nur bis ins Jahr 2027. Dannach übernimmt der Babyboomer-Effekt wieder die Oberhand: Dann rutscht das Umlageergebnis in den roten Bereich. Deshalb braucht es Gegensteuer.

 

Bezugsjahre statt Referenzalter

Der Westschweizer Arbeitgeberverband Centre Patronal weist bei der Finanzierung in eine neue Richtung: Anstatt wie bisher beim Rentenalter anzusetzen wechselt er den Fokus auf die Beitragsjahre. Demnach würde die volle AHV-Rente nicht mehr ab 65 fällig, sondern nach 44 Beitragsjahren. Der Verband setzt sich für zusätzliche Einnahmequellen ein: Die Mehrwertsteuer soll um 0,5 Prozent und die Lohnbeiträge um 0,4 Prozent steigen. Und die Beitragspflicht will er mit vollendetem 17. Lebensjahr beginnen lassen anstatt ab Alter 21. In diesen Massnahmen sieht das Centre Patronal mehr Gerechtigkeit für Menschen, die früh ins Berufsleben einsteigen und einen körperlich anstrengenden Beruf ausüben.

 

Pensionskasse für alle

Gerechtere Lösungen sind auch in der zweiten Säule fällig. Zu den Ansatzpunkten gehören die Senkung der Eintrittsschwelle und die Erhöhung des Vorsorgekapitals. Einerseits kann das durch früheres Ansparen geschehen und andrerseits durch die Beseitigung des Koordinationsabzugs. Das öffnet das Tor in die Berufsvorsorge für alle Teilzeit- und Mehrfachbeschäftigten und schliesst niemanden mehr aus. Die Politik ist gefordert, demografiegerechte Finanzierungsvorschläge vorzulegen. 

 

Profiteure sind Finanzberaterinnen

Die Demografie bereitet aber nicht nur Kopfzerbrechen, sondern nährt auch Wachstumsfantasien. Denn die stark wachsende Gruppe Ü50 hat einen hohen Bedarf nach finanzieller Beratung. Davon profitieren vorderhand Vorsorgeberaterinnen und -berater, wie zum Beispiel die VZ Gruppe: In den kommenden Jahren sollen schweizweit drei bis fünf Niederlassungen eröffnet werden. Die Belegschaft wächst allein in diesem Jahr um 22 Vollzeitstellen.

 

Babyboomer beflügeln auch das Vorsorge- und Anlagegeschäft der Retailbanken. Die Kundinnen und Kunden der Raiffeisen-Gruppe eröffneten rund 40 000 neue Vorsorge- und Anlagedepots, wobei den Raiffeisen-Instituten Netto-Neugelder von rund 3,4 Milliarden Franken zuflossen. Entsprechend legten auch die Erträge aus dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft mit fast 10 Prozent zu.

 

Ein Ende des Wachstums ist erst mittelfristig in Sichtweite. Die Babyboom-Generation geht zwischen 2010 und 2029 in Rente. Während dieser Zeit steigt der Altersquotient besonders schnell. Nach 2030 flacht die Wachstumsrate wieder ab – und damit auch das Branchenwachstum. Gleichzeitig eröffnet es die Chance, die AHV-Finanzen ins Lot zu bringen. 

 

Mehr Bildung – mehr Wachstum

Für das Gleichgewicht im AHV-Haushalt spielt jedoch nicht nur der Altersquotient eine Rolle. Auch die Lohnbeiträge – sprich Lohnsumme – sind wichtig. Die gute Nachricht ist, dass nicht allein die AHV-Ausgaben steigen, sondern auch die Lohnsumme. Dazu beigetragen haben eine höhere Arbeitsmarktbeteiligung und steigende Löhne. Höhere Löhne haben in der Tendenz gut Ausgebildete. Dazu braucht es Bildung, die in der Schweiz grösstenteils der Staat zur Verfügung stellt.

 

Die AHV-Finanzen hängen von vielen Faktoren ab, darunter auch den Bildungsausgaben des Staates. Denn höhere Bildung ermöglicht höhere Löhne und davon profitieren nicht nur die Lohnempfänger, aber auch die AHV, indem es die Lohnsumme vergrössert. Die Zusammenhänge zeigen einmal mehr: Silo-Denken ist im Vorsorgesystem – wie überall – fehl am Platz. Die Sicht aufs Ganze macht deutlich, dass Wachstumschancen auf der Einnahmenseite der AHV nicht vernachlässigt werden sollten.