Verantwortung geht ans Parlament
17. Januar 2018, von Josef Bachmann
Das Bundesgericht hat in seinem jüngsten Entscheid zur beruflichen Vorsorge die Umstellung laufender Renten auf eine dynamische Altervorsorge verhindert. Damit folgt es dem Urteil der Vorinstanz. Nun ist der Gesetzgeber gefordert.
Die Vorgeschichte: 2005 hat die Pensionskasse der PwC ein Rentenmodell mit fixer Altersrente und variablem Bonusteil eingeführt. Massgebend für die Anpassung des Bonusteils ist ein Soll-/Ist-Vergleich der Anlagerendite. Weil die stark sinkenden Umwandlungssätze für Neurentner zu einer steigenden Benachteiligung der Neurentner und Aktiven geführt hatte, wurde ab 2014 das dynamische Modell auch auf Altrentner angewendet.
Die grosszügigen Konditionen haben dazu beigetragen, dass die Betroffenen die Neuerung unterstützt haben. Ab 2017 konnten die Leistungen wegen der guten Kapitalerträge sogar erhöht werden. Auf Intervention der Aufsichtsbehörde mussten sich schliesslich das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesgericht zur Neuerung äussern.
Fehlende gesetzliche Grundlagen
Vor dem höchsten Gericht ist eine Würdigung des neuen Systems, das sich an den Grundsätzen der 2. Säule orientiert, ausgeblieben. Wiederum haben sich die Richter, mangels anderer gesetzlicher Grundlagen, nur auf BVG Artikel 65d (Massnahmen bei Unterdeckung) abgestützt. Schade, dass sich das Gericht nicht über das Unrecht der Umverteilung und der Ungleichbehandlung der Versicherten geäussert hat. Schade auch, dass die Leistungserhöhungen nun nicht gewährt werden können.
Aber der Entscheid der Richter bedeutet nicht das Ende der Bemühungen für eine nachhaltig und faire Reform der 2. Säule. Das Urteil ist ein Auftrag an das Parlament. Der Gesetzgeber hat die Chance und die Pflicht, die Lage aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen neu zu beurteilen.
Nicht funktionierende Gleichung
Ein Rentensystem mit unplanbaren, variablen Zuflüssen kann keinen fixen Abfluss haben. Das funktioniert nicht und alle wissen es. Deshalb hatten früher viele Vorsorgeeinrichtungen Sicherheitsventile in Form von Sanierungsklauseln in ihren Reglementen. Damit waren Leistungskürzungen bei schlechten finanziellen Rahmenbedingungen möglich. Das hat die Sicherheit des Vorsorgewerkes und die Fairness unter allen Versicherten gewährleistet.
Das Verbot von Rentenkürzungen im Überobligatorium war ein fahrlässiger Eingriff in die 2. Säule, genauso wie die Festlegung des Umwandlungssatzes durch das Volk nach dem Prinzip «wollt ihr lieber mehr oder weniger Rente». Wir müssen zurück zum Fundament der 2. Säule, zu den Prinzipien der transparenten Finanzierung im Kapitaldeckungsverfahren.
Entscheidentd ist die Kaufkraft
Variable Altersrenten (Wackelrenten) sind auf den ersten Blick ein Schreckgespenst. Näher betrachtet ist es aber wie bei anderen Gespenstern – nämlich weit weniger dramatisch. Wichtig ist die Einsicht, dass der Realwert (die Kaufkraft) der Rente entscheidend ist und nicht der Nominalwert. Bei Teuerungen, mit der in Zukunft wieder gerechnet werden muss, kann die Kaufkraft der Rente massiv sinken. Dies, weil die Vorsorgeeinrichtung die Inflation nur im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten ausgleichen muss.
Wichtig: Ein ungenügender Teuerungsausgleich kann für die Rentner einschneidender sein als eine mögliche moderate Kürzung des Nominalwerts im dynamischen Rentenmodell. In diesem wird die Rentenhöhe durch die Anlagerendite gesteuert – die Höhe der Rente passt sich tendenziell der Teuerung an.
Das Parlament ist aufgerufen, die heute deutlich schlechteren Rahmenbedingungen (volatile Kapitalanlagen, Negativzinsen, sinkende Umwandlungssätze im Überobligatorium) zu berücksichtigen. Es wird erkennen, dass im dynamischen Rentenmodell selbst bei Reduktion der Rente nichts weggenommen, sondern weniger systemwidrig umverteilt wird. Hoffentlich erkennt dies der Gesetzgeber rechtzeitig. Denn je schneller die Anpassung an die Realität erfolgt, umso moderater ist sie zu haben.
Josef Bachmann ist ehemaliger PK-Geschäftsführer und betreibt www.vorsorgeaberfair.ch