Steht Infrastruktur vor dem nächsten Boom?
Von Peter Bezak, Director bei Zurich Invest AG
Innerhalb der alternativen Vermögensanlagen wuchs die Anlageklasse Infrastruktur bis 2022 am stärksten. Ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren hat der Anlageklasse Rückenwind verliehen und haben sie in den Mainstream gedrängt. Ein wichtiger Faktor war die Null- bis Negativzinspolitik der Nationalbanken, die die Kreditaufnahmen für Infrastrukturprojekte attraktiver machte.
Neues Kapital schwierig zu beschaffen
Das Jahr 2023 markierte eine Trendwende in dieser Entwicklung. Das Transaktionsvolumen im Bereich Infrastruktur ging im Vergleich zum vorherigen Rekordjahr zurück. Die Transaktionsaktivitäten verlangsamten sich stark und der Gesamtwert der Transaktionen sank ebenfalls signifikant. Dieser Rückgang ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen, darunter die Kehrtwende in der Zinspolitik, die die Zinssätze stark ansteigen liess, angespannte Schuldenmärkte, eine Eskalation der geopolitischen Spannungen und ein allgemeiner Rückzug auf den Privatmärkten, der sich vor allem in einem langsameren Markt für fremdfinanzierte Transaktionen zeigte.
Offen ist, wie lange der Rückgang anhalten wird. Anfang des Jahres 2024 nahm die Anzahl der Deals wieder zu. Nach dieser kurzlebigen Belebung hat sich im zweiten Quartal das Tempo der Kapitalmittelbeschaffung im Bereich Infrastruktur allerdings wieder verlangsamt. Die schwache Kapitalmittelbeschaffung dürfte sich noch fortsetzen, und die höheren Bewertungen könnten einige Investoren davon abhalten, weiter neues Kapital zu beschaffen.
Vorsichtiger Optimismus für weiteren Aufschwung
Ein Lichtblick ist die aktuell erneut aufflackernde Transaktionsaktivität. Der aggregierte Wert der Infrastruktur-Deals stieg vom zweiten auf das dritte Quartal 2024 um beachtliche 55 Prozent auf über 100 Milliarden US-Dollar – fast genauso viel wie die über 100 Milliarden US-Dollar in vierten Quartal 2023. Auch das durchschnittliche Transaktionsvolumen stieg an. Erneuerbare Energien liegen im Trend, angekurbelt durch die Nachfrage von stromhungrigen Rechenzentren, wie das englische Investmentdatenunternehmen Preqin aufzeigt. Mit Blick auf die Zukunft herrscht vorsichtiger Optimismus für einen weiteren Aufschwung. Die Stabilisierung der Zinssätze, realistischere Bewertungen, die unaufhaltsame Digitalisierungswelle und der dringende Bedarf an Infrastrukturen für erneuerbare Energien dürften die Transaktionsaktivität unterstützen. Darüber hinaus deuten das noch nicht investierte Kapital sowie das wachsende Interesse an diesem Sektor darauf hin, dass ein weiteres Wachstum vor uns liegt.
Digitalisierung als Katalysator
Die digitale Infrastruktur umfasst eine ganze Reihe von Anlagegütern – von Rechenzentren und Fernmeldetürmen bis hin zu Unterseekabeln und Glasfaserkabeln -, die allesamt vielerorts benötigt werden. Bei der Suche nach Investitionsmöglichkeiten sehen Investoren laut Experten das grösste Potenzial in den kommenden Jahren in digitalbezogenen Projekten. Daraus folgt, dass die Erwartungen hoch sind, dass Kapital in diese Richtung fliessen wird. Weltweit diskutieren Politiker Investitionsanreize zum Ausbau von Infrastrukturprojekten. Der kürzlich publizierte Bericht zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der EU von Mario Draghi, dem früheren italienischen Ministerpräsidenten sowie Präsidenten der europäischen Zentralbank, ist so ein Beispiel. Dieser fordert unter anderem eine wettbewerbsfähige Energieversorgung, die Modernisierung und Ausbau der Infrastrukturen und eine Digitalisierungsoffensive.