Risikowache rasch anpassen
Susanne Kapfinger, Ökonomin und Leiterin Redaktion AWP Soziale Sicherheit
Der Finanzmarkt der Zukunft wird hauptsächlich von zwei Megatrends geprägt: Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Beide Trends verfügen über das Potenzial, um für eine Revolution zu sorgen – das zeigen bereits heute Krypto, die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) sowie Künstliche Intelligenz. Doch wo Chancen sind, gibt es auch Risiken. Das sind Geldwäscherei, Datenklau, Schwachstellen im Datenschutz, Diskriminierung und Greenwashing. Diese Risiken müssen zum Schutz eines funktionierenden Finanzmarktes und zum Schutz der Anlegerinnen und Anleger stärker in den Fokus gerückt werden. Das muss koordiniert erfolgen.
Funktionstüchtigkeit sichern
In der Schweiz zuständig für Koordination und Schutz im Finanzmarkt ist die Aufsichtsbehörde Finma. Sie kontrolliert auch die Finanzdienstleistungen im Bereich Krypto, DLT, KI oder ESG. Wie gut ihr das gelingt hängt von den gestzlichen Rahmenbedingungen ab. Zentral im Kryptobereich sind drei Gesetze. Erstens müssen die Beaufsichtigten seit Februar 2023 Tätigkeiten mit kryptobasierten Vermögenswerten melden. Das ist wichtig, weil die Finma daraus die Bedeutung digitaler Assets feststellt: 2023 wurden Zahlungs-Token im Wert von etwa 6 Milliarden Franken verwahrt und die Zahl der Beaufsichtigten stieg von 30 auf 34.
Vermögenswerte schützen
Das zweite Gesetz betrifft die Distributed-Ledger-Technologie. Es besagt, dass im Konkursfall die verwahrten Zahlungs-Token abgesondert werden – Banken müssen also die Token jederzeit bereithalten können. In vielen Ländern herrscht betreffend der konkursrechtlichen Behandlung von virtuellen Vermögenswerten Rechtsunsicherheit. Daraus ergeben sich hohe Risiken für die Anlegerinnen und Anleger. Das dritte Gesetz reguliert die Zulassung von DLT-Handelsplattformen. Eine erste Bewilligung als DLT-Handelssystem erhielt die SIX Digital Exchange.
Gesetzeslücken im Raum
Auf dem Risiko-Radar der Finma sind Krypto-Risiken gut erfasst und überschaubar. Dagegen sind die Risiken im ESG-Bereich weniger kontrollierbar – es bestehen Gesetzeslücken. Bei der Prävention von Greenwashing stellte die Aufsicht 2023 laut Studie (siehe AWP Soziale Sicherheit Ausgabe 6) zahlreiche Schwachstellen beim Angebot von nachhaltigen Finanzdienstleistungen fest. Anlegerinnen und Anleger werden vielerorts getäuscht, obwohl ein Täuschungsverbot gesetzlich verankert ist. Das Problem: Banken definieren die Begriffe ESG und Impact autonom. Zudem ist die Berichterstattung darüber ungenau. Der Aufsicht fehlen Grundlagen, um wirksam gegen Greenwashing vorzugehen. Hier wären Mindesanforderungen hilfreich. Denn Greenwashing schadet nicht nur Anlegern, sondern auch Finanzinstituten – spätestens wenn Haftbarkeitsklagen auf dem Tisch liegen.
Schaden begrenzen
Während ESG-Risiken greifbar sind, sind KI-Risiken eher diffus. Dass die Autonomie und die Komplexität von KI-Systemen Risiken mit sich bringen, bestreitet zwar niemand. So besteht etwa die Gefahr, dass von KI erzeugte Ergebnisse nicht verstanden werden, dass sich unbemerkt Fehler oder Diskriminierung einschleichen. Bedenken gibt es auch bezüglich ungeklärter Verantwortlichkeiten. Einen Vorgeschmack davon, was KI-Risiken anstellen können, gibt uns der Börsencrash von 1987. Den Crash begünstigt haben automatisierte Handelssysteme. Der Absturz mahnt dazu, den Regulierungsrahmen kontinuierlich an die techschnische Entwicklungen anzupassen, um Schaden möglichst zu begrenzen.