«Private Equity verzeichnet das  grösste und stabilste Wachstum»


Hohe Marktvolatilitäten und tiefe Zinsen begünstigen Alternative Anlageklassen, sagt Viviane Sorg, Leiterin Institutional Market Switzerland bei Pictet Asset Management. Sie beobachtet eine starke Nachfrage nach illiquiden Investments und sieht die Hedgefonds-Industrie an einem Wendepunkt.

 

Susanne Kapfinger: Der Schweizer Markt für Vermögensverwaltung hat seit der Integration der CS in die UBS einen grossen Player weniger. Wie sind Pensionskassen mit der neuen Situation umgegangen?

Viviane Sorg: Viele Pensionskassen haben sich seit Bekanntgabe der Integration neu orientiert. Einerseits ging es darum, Klumpenrisiken zu vermeiden, andererseits wurden neue Beziehungen zu Vermögensverwaltern gesucht, mit dem Ziel, Anlagen zu diversifizieren. Im vergangenen Jahr wurden daher zahlreiche Anlagelösungen und Mandate neu ausgeschrieben. 

 

Hat das die Karten unter den Vermögensverwaltern neu verteilt?

Wir haben tatsächlich einen starken Schub an Anfragen erlebt. Das hat sich in Neugeldzuflüssen von Neukunden, aber auch von bestehenden Kunden gezeigt. Zu den einzelnen Geschäftsfeldern geben wir keine Zahlen bekannt, aber die verwalteten oder verwahrten Vermögen der Pictet Gruppe stiegen per Ende 2024 um 14 Prozent auf 724 Milliarden Franken, während sich die Netto-Neugelder auf 11 Milliarden Franken beliefen. Dies zeigt: Wir konnten von der neuen Marktkonstellation profitieren, inbesondere auch im institutionellen Geschäft in der Schweiz.

 

Wie werden die Neugelder mehrheitlich angelegt?

Wir konnten im institutionellen Geschäft in den letzten zwölf Monaten eine vermehrte Nachfrage nach massgeschneiderten Lösungen beobachten. Den Ausschlag für massgeschneiderte Lösungen gaben die hohen Marktvolatilitäten, die etwa durch die veränderten Handelspolitiken und Zollbestimmungen sowie die Unsicherheiten, welche die geopolitische Lage mit sich bringt, mitverantwortet wurden. Massgeschneiderte Strategien lassen sich zwar unabhängig davon umsetzen, ob sie im passiven oder im aktiven Rahmen stattfinden. Bei hohen Marktbewegungen präsentieren sich aktive Management-Strategien aber besonders vorteilhaft – die stärkere Kundennachfrage nach aktiven Anlagelösungen unterstreicht diese Einschätzung zusätzlich.

 

 

«Aktive Management-Strategien
liegen derzeit wieder stärker im Trend»

Vivianne Sorg, Leiterin Institutional Market Switzerland Pictet Asset Management

 

 

In welchen Anlageklassen gab es besonders starke Neugeldzuflüsse?

Der aktive Managementansatz lässt sich zwar in jeder Anlageklasse anwenden, trotzdem wurden alternative Anlagen besonders stark nachgefragt – insbesondere, weil sie Marktvolatilitäten gut glätten. Gleichzeitig hat auch die Anpassung in der beruflichen Vorsorge vor ein paar Jahren für einen Nachfrageschub bei den Alternativen gesorgt.

 

Wie hat sich das auf Pictet ausgewirkt?

Wir haben in den letzten 24 bis 36 Monaten aufgrund von Mandaten, die wir gewonnen haben, oder aufgrund von Fondslösungen, den alternativen Bereich stark ausgebaut. Der Ausbau führte unter anderem auch zu personellen Veränderungen. Hinzugestossen sind etwa neue Anlageteams, die neue Fondslösungen in den Bereichen Private Equity und Private Debt betreuen. In der Division Pictet Alternative Advisors ist die Belegschaft stark gewachsen. Das unterstreicht nicht nur die Rolle dieser Division als strategischen Hauptpfeiler – neben dem Asset Management, Wealth Management und Custody Geschäft – sondern auch unsere langjährige Positionierung in Privatmarktanlagen: Pictet gehört mittlerweile zusammen mit der UBS, LGT und Partners Group zu den vier grössten Schweizer Anbietern in diesem Bereich. 

 

Welche Entwicklungen beobachten Sie in diesem Marktsegment?

Im Durchschnitt investiert eine Schweizer Pensionskasse etwa 9 Prozent des Pensionskassenvermögens in Alternative Anlagen, wobei 80 Prozent der Pensionskassen hier investiert sind. Die Anlageklasse teilt sich weiter auf in die Kategorien Private Equity und Infrastruktur mit jeweils etwa 2,5 Prozent, sowie Private Debt und Hedgefonds. Wobei das grösste und stabilste Wachstum der letzten Jahrzehnten im Bereich Private Equity stattgefunden hat. Ein kleiner Teil der Pensionskassen hat sich sogar entschlossen, die gesetzlichen Richtwerte auszureizen. Jede zehnte Kasse hat heute mehr als 15 Prozent ihres Gesamtportfolios in Alternativen Anlagen alloziert. Dieser Wachstumstrend setzt sich weiter fort. 

 

Halten sie die BVV2-Anlagerichtlinien für zu niedrig?

Diese Frage muss in den Kontext des Zinsumfelds gestellt werden. In einem tiefen Zinsumfeld oder bei Negativzinsen, ist es schwierig gute und stabile Renditequellen zu finden. Für Anlegerinnen wie Pensionskassen, die Minimumzinsen auszahlen müssen, bieten Investitionen in Geld- und Obligationenmärkte kaum genügend Rendite. Dagegen bieten Private Assets bei einem mittel- bis langfristigen Anlagehorizont Renditen, die deutlich über einer Fixed-Income-Lösung liegen. Ich gehe davon aus, dass das Engagement in Privatmarktanlagen seitens Pensionskassen deshalb weiter zunehmen wird. Ob der entsprechende BVV2-Richtwert angepasst werden soll, ist jedoch eine politische Entscheidung. 

 

Die niedrigen BVV2-Richtwerte für alternative Anlagen sollten das Risikobewusstsein schärfen.

Das ist richtig. Doch Private Assets haben zahlreiche Unterkategorien, die jede für sich spezielle Eigenschaften mit sich bringen und eine Diversifikation ermöglichen. Je komplementärer die Eigenschaften, desto besser kann diversifiziert werden. Das wirkt sich insgesamt positiv auf die Stabilität des Portfolios aus, was in Zeiten mit erhöhter Marktvolatilität und tiefen Realzinsen – so wie wir sie aktuell erleben – besonders wichtig ist. 

 

Hedgefonds sind eine Unterkategorie, um die es lange still war.

Wir sind der Meinung, dass sich die Hedgefonds-Industrie an einem Wendepunkt befindet. Dafür sprechen verschiedene Entwicklungen, vor allem aber ein  volatiles Marktumfeld, in dem sich die Vermögensklassen nicht parallel bewegen. Damit dürften Hedgefonds stärker in den Fokus rücken.

 

Wie engagieren sich die Kassen vorzugsweise in illiquiden Märkten?

Das ist sehr unterschiedlich. Im Bereich Private Equity ist es beispielsweise oft der Fall, dass das Engagement mit einer Fund-of-Funds-Lösung beginnt. Später, wenn die Kunden etwas länger engagiert sind und ein Lern- und Reifeprozess stattgefunden hat, werden vermehrt Direktanlagen getätigt. Dort geht es nicht mehr um die Auswahl der besten Fondsmanagerinnen, sondern es wird direkt in Firmen investiert. Aktuell werden beispielsweise vermehrt Co-Investment-Lösungen nachgefragt. Dabei handelt es sich um einen partnerschaftlichen Ansatz, bei dem die Kundin zusammen mit einem Private-Equity-Spezialisten eine Investition tätigt. Im Gegensatz zu den grossen ausländischen Anbietern bieten wir massgeschneiderte Lösungen bereits ab kleinen Volumen von 20 bis 30 Millionen Franken an.

 

Wie messen Sie ihren Erfolg?

Wenn Anlagen im besten Interesse der Kunden verwaltet werden, ist das Teil des Erfolgs. Dazu gehört einerseits eine gute Netto-Performance, andererseits die hohe Kundenzufriedenheit. Zufriedene Kunden generieren Wachstum, indem sie uns weiterempfehlen und uns weitere Anlagen zur Bewirtschaftung anvertrauen. Das ist ein Teil unserer Wachstumsgeschichte. Im Jahr 2024 hat die Pictet-Gruppe ein Allzeithoch bei den verwalteten Vermögen erreicht. Das wäre ohne Mund-zu-Mund Propaganda sowie guten Ergebnissen in der Bewirtschaftung der Anlagen für unsere Kunden nicht möglich gewesen.