Nie war Wachstum so einfach

Susanne Kapfinger, Ökonomin und Leiterin Redaktion AWP Soziale Sicherheit

Wissen ist kein Garant für «gute» Entscheide, es ist aber die Grundvoraussetzung. Deshalb stehen Stiftungsrätinnen und -räte in der Weiterbildungspflicht. Das Bildungsangebot ist gross und unterliegt drei Entwicklungen: Erstens entstehen immer mehr Angebote. Zweitens erleichtert KI und Fernunterricht die Aneignung von Wissen. Drittens erschliessen datenbasierte Analysen neues Wissen.  

 

Neue Erkenntnis zu Kostentreibern

Im Umfeld der 2. Säule hat beispielsweise der Dachverband der Schweizerischen PK-Consultants SWIC neues Wissen über die Rolle der Vermögensverwaltungskosten erarbeitet. Sie haben über einen Betrachtungszeitraum von 10 Jahren (2013 bis 2023) keinen Zusammenhang zwischen der Höhe der Vermögensverwaltungskosten und der erzielten Nettorendite der Vorsorgeeinrichtungen feststellen können – weder positiv noch negativ (mehr dazu auf Seite 9).

 

Zudem tragen Bildungskanäle vermehrt online zur Verbreitung neuer Erkenntnisse bei. Der Verein Innovation Zweite Säule lädt beispielsweise regelmässig zu Online-Fachreferaten  ein. Die virtuellen Räume können Bildungsziele grosso modo gut erreichen. Eine Offline-Veranstaltung wie den Pensionskassen-Summit der Zurich Versicherung ersetzen, kann es dennoch nicht. Solche Treffen bieten Platz für lebendige Diskussionen, persönliches Engagement und Nährboden für geistiges Wachstum.

 

Nährboden für gutes Wachstum

Die Fachveranstaltung war dem Wachstumsthema gewidmet und machte deutlich: Wissen allein genügt nicht, um «gute» Entscheide zu treffen. Wir wissen, dass die Klimakrise menschengemacht ist und die Lösung ist bekannt. Trotzdem ändern weder Politik noch die Bevölkerung ihr Verhalten. Die Nettonull-Wirtschaft ist vorerst ein Lippenbekenntnis, während die Welt überlebenswichtige Biodiversität verliert. 

 

Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman erklärt es: Menschen handeln in ihren wirtschaftlichen Entscheidungen oft irrational, da sie von psychologischen Verzerrungen und kognitiven Fehlern beeinflusst werden. Die kognitive Falle bedeutet: Wir sehen nur, was wir sehen wollen. Faktenbasierte Entscheide kann man aber erlernen: Der Konzernchef von Zurich legt beispielsweise nahe Wachstumsziele auf langfristige Entwicklungen auszurichten.

 

Während die Verantwortungsträger der Pensionskassenwelt in der Weiterbildungspflicht stehen, dürfen sich die Versicherten zurücklehnen. Von dieser Freiheit machen sie aber immer weniger Gebrauch. Im Zuge der Abstimmung zur 13. AHV-Rente und der Reform BVG21 hat sich die Bevölkerung vermehrt über das Vorsorgethema informiert.

 

Mehr Wissen – mehr Vertrauen

Das verbesserte Wissen hat das Vertrauen in das Vorsorgesystem insgesamt erhöht, wie der Raiffeisen-Vorsorgebarometer zeigt. Konkret gaben 22 Prozent der 18- bis 65-Jährigen an, dass sie ein hohes oder sogar sehr hohes Vertrauen in die AHV haben. Im Jahr davor waren es nur 17 Prozent. Das Wissen über das Vorsorgesystem hat sich durch die Auseinandersetzung der Bevölkerung mit den Abstimmungsvorlagen nachweislich positiv entwickelt.

 

Wer mehr über ein Thema Bescheid weiss, erhöht auch seine Handlungsfähigkeit. Noch nie waren so viele junge Personen im Besitz einer Säule 3a, sagte Jürg Portmann, Co-Leiter des Instituts Risk & Insurance der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaft. 

 

Die Handlungsfähigkeit der Versicherten erhöhen, können auch die Vorsorgeeinrichtungen, indem sie ihnen Wissen bereitstellen, so das Fazit des Zurich-Panels, unter anderem mit Asip-Direktor, Lukas Müller-Brunner. Die Handlungsfähigkeit der Pensionskassen hingegen besteht darin, nicht in die «kognitive Falle» tappen.