Kollektiv statt individuell
Susanne Kapfinger, Ökonomin und Leiterin Redaktion AWP Soziale Sicherheit
Die richtige Kombination aus privater und kollektiver Vorsorge zu finden, ist schwierig. Die missglückten Reformen in der Sozialpolitik haben es deutlich gemacht. Unbestritten ist, dass Sozialversicherungen, Probleme lösen – gleichzeitig können sie aber neue schaffen. Die Kostenexplosion in der obligatorischen Krankenversicherung, ist ein Beispiel dafür.
Der Sanitas-Chef fordert deshalb mehr Eigenverantwortung von den Versicherten. Andreas Schönenberger will, dass jede Person selber für medizinische Ausgaben aufkommt und die Versicherungen nur die teuren Eingriffe bezahlen. Die liberale Denkfabrik Avenir Suisse schlägt Ähnliches vor: Die selbstfinanzierte Langzeitpflege. Auch das würde die Krankenversicherungen entlasten. Doch das löst das Problem nicht, sondern verschiebt es vom öffentlichen in den privaten Raum.
Preise und Strukturen lassen sich nur über ein Kollektiv durchsetzen und nicht Einzelpersonen. Das gilt sowohl für den Gesundheits- als auch den Finanzbereich Deshalb macht eine kollektive Lösung wie Sozialversicherungen Sinn. Das heisst nicht, vorhandene Probleme kleinzureden: Grosszügige Sozialleistungen können unbeabsichtigt Anreize schaffen und zu Missbrauch führen. Ebenso kann die Verwaltung umfassender Sozialversicherungssysteme zu komplexen Regelwerken führen, die für die Versicherten schwer zu durchschauen sind, so wie es in der 2. Säule gegenwärtig der Fall ist.
Trotz dieser Herausforderungen bezweifelt niemand die Wirksamkeit bestehender Sozialversicherungen. Elf Persönlichkeiten aus dem sozialen Sicherungssystem geben Zeugnis davon. Sie berichten zum 50. Jubiläum unserer Publikation davon, wie das Sozialgefüge immer wieder neue Herausforderungen meistert. Waren es früher Kriege, Rezessionen oder die Industrialisierung, die Sicherungssysteme hervorbrachten. Sind es heute Digitalisierung, Demografie und Umweltprobleme, die kollektive Lösungen verlangen. Abo lösen und weiterlesen