Klimakennzahlen – wie vergleichbar sind sie wirklich?

Stephan Skaanes und Cyrill Rütsche, PPCmetrics AG

Die Vorzüge einer vergleichbaren ESG-Berichterstattung liegen auf der Hand: Höhere Transparenz und eine Stärkung der Glaubwürdigkeit von nachhaltigen Reportings. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüssen, dass von verschiedenen Seiten ESG-Reporting Standards eingeführt wurden. Quantitativ haben die eingeführten Standards, wie die Swiss Climate Scores des Bundesrats oder der ESG-Reporting Standard des Schweizerischen Pensionskassenverbands ASIP, einen starken Fokus auf Klimakennzahlen. Der Fokus auf das Klima ist gemäss Swiss Climate Scores darauf zurückzuführen, dass beim Klima die Ziel- und Messgrössen am weitesten fortgeschritten sind. Doch wie vergleichbar sind die Berechnungen der Finanzbranche wirklich? 

 

Eine der bekanntesten Klimakennzahlen für ein Portfolio ist die CO2-Intensität (auch WACI genannt). Die Berechnung der CO2-Intensität ist grundsätzlich nicht besonders komplex. Es handelt sich um einen einfachen gewichteten Durchschnitt. Werden jedoch die von der Finanzbranche ausgewiesenen Werte miteinander verglichen, zeigen sich grosse Unterschiede. Während ein Vermögensverwalter per Ende letzten Jahres beispielsweise eine CO2-Intensität von 98,8 für den Schweizer Aktienmarkt (SPI) ausweist, beträgt diese bei einem anderen Vermögensverwalter 134,9 (Unterschied von über 35%).

 

PPCmetrics hat die möglichen Gründe für diese Unterschiede analysiert. Für den Schweizer Aktienmarkt war der Hauptgrund für die Unterschiede schnell gefunden: Da CO2-Daten typischerweise verzögert sind und in einem unterschiedlichen Rhythmus aktualisiert werden, haben Vermögensverwalter Ende 2023 teilweise die CO2-Emissionen für das Jahr 2021 und teilweise bereits die CO2-Emissionen für das Jahr 2022 verwendet. Im Falle des Schweizer Aktienmarkts wird die CO2-Intensität massgeblich von Holcim beeinflusst. Da Holcim seine CO2-Emissionen im Jahr 2022 durch den Verkauf des CO2-intensiven Geschäfts in Indien deutlich reduziert hat, weisen Vermögens-verwalter mit 2022er-Daten für den SPI eine deutlich tiefere CO2-Intensität aus als Vermögensverwalter mit 2021er-Daten. 

 

Bei gemischten Anleihenportfolios mit Staats- und Unternehmensanleihen kann das Resultat insbesondere durch die (fehlende) Skalierung beeinflusst werden. Grund dafür ist, dass die CO2-Intensität für Staats- und Unternehmensanleihen separat berechnet und ausgewiesen wird. Während die Emissionen von Unternehmen durch den Umsatz geteilt werden, erfolgt die Division bei Staaten typischerweise durch das Bruttoinlandprodukt. Wird das anwendbare Portfolio (bspw. Unternehmensanleihen) dabei nicht auf 100% skaliert, fliessen die übrigen Anlagen (bspw. Staatsanleihen) mit einem Wert von null in die Berechnung ein. Bei einer Skalierung werden diese hingegen von der Berechnung ausgeschlossen. Besteht ein Portfolio zu je 50 Prozent aus Unternehmens- und Staatsanleihen, so wird ohne Skalierung nur eine halb so hohe CO2-Intensität rapportiert wie mit Skalierung.  

 

Es ist zu hoffen, dass die im Markt angewendeten Berechnungsmethoden zukünftig infolge neuer Spezifikationen in den ESG-Reporting Standards angeglichen werden. In der aktualisierten Fassung der Swiss Climate Scores (gültig ab 2025) wurde beispielsweise die Skalierung als zwingende Vorgabe ergänzt. Andere Unterschiede hingegen, wie unterschiedliche Datenquellen, können nur durch die Bereitstellung einer zentralen, qualitativ hochwertigen und für Pensionskassen idealerweise kostenlosen Datenbank behoben werden. 

 

Solange es verschiedene Datenanbieter gibt, sind immer Abweichungen möglich. Institutionelle Anleger sind gut beraten, die von ihnen verwendeten Daten kritisch zu hinterfragen und die angewendete Methodik zu verstehen. Zum aktuellen Zeitpunkt sollten die Reporting-Standards jedoch nicht den Eindruck erwecken, dass die ausgewiesenen ESG-Kennzahlen bereits so vergleichbar und eindeutig sind wie andere anlagenbezogene Kennzahlen wie Rendite-/Risikokennzahlen.