Grüne Infrastruktur inklusive

Von Susanne Kapfinger, Ökonomin und Leiterin Redaktion AWP Soziale Sicherheit

Die Sorgen sind gross: Vier von fünf Personen glauben, dass ihre Stadt für Klimarisiken zu wenig vorbereitet ist. Die urbane Bevölkerung erwartet von ihrer Lokalregierung Massnahmen gegen Hitzewellen, Luftverschmutzung, Wasserknappheit und Überschwemmungen. Das zeigt eine Untersuchung des Versicherers Zurich und des Wirtschaftsmagazins «The Economist». Befragt wurden Einwohner aus zehn Weltstädten. Schweizerinnen und Schweizer waren zwar nicht darunter, die Sorgen dürften jedoch ähnlich sein. 

 

Das heisst: Die Immobilienwirtschaft und Investoren werden sich mit den Folgen des Klimawandels stärker befassen müssen. Gefragt ist Schutz vor Extremwetterereignissen und die Sicherstellung der Wohnqualität bei steigenden Temperaturen. Dazu gehört etwa die Schaffung von Grünflächen und Biotopen in Wohngebieten oder die Begrünung von Dächern und Fassaden. 

 

Biodiverse grüne Infrastruktur

Bisher stand die Energieeffizienz und CO2-Reduktion im Zentrum, die bis 2050 Nettonull betragen soll. Die Anforderungen an die Bau- und Immobilienwirtschaft sind jedoch umfassender. Die Branche muss sich an der «Strategie nachhaltige Entwicklung 2030» des Bundesrates orientieren. Darunter fällt auch die Verwendung recycelbarer Baumaterialien und nachwachsender Rohstoffe. Zudem gehört grüne Infrastruktur und Biodiversität in die Projekte. Die Umfrage zeigt, dass diese Aspekte zu wenig Beachtung finden. 

 

Die Bevölkerung steht mit ihrem Anliegen nicht alleine da. Über 230 Unternehmen weltweit verlangen von der Politik mehr Schutz der Biodiversität. Die Schweizer Grössen SGS, Givaudan, Holcim, Nestlé und South Pole fordern Massnahmen, um den Naturverlust in diesem Jahrzehnt aufzuhalten und wettzumachen. Sie empfehlen der Politik dazu die Wirtschaft in die Pflicht zu nehmen.

 

Nützliche Standards

Es ist absehbar, dass die gesetzlichen Anforderungen an die Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft zunehmen werden. Dabei gelten viele Schweizer und Europäische Firmen bereits als Vorreiter in Sachen nachhaltigen Wirtschaftens. Beispielsweise generiert mehr als jeder fünfte Baustoffkonzern mit nachhaltigen Produkten mehr als die Hälfte seines Umsatzes. Gemäss Morningstar liegt das auch an den strengeren Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Beispiel: Der Technologiekonzern ABB verursacht gemäss Nachhaltigkeitsbericht durch den Kauf von Gütern und Dienstleistungen 16 Millionen Tonnen CO2, die bis 2050 um 90 Prozent reduziert werden sollen. Ein bedeutender Schritt dahin erfolgt über die Verwendung von grünem Recyclingstahl.

 

Widerstand ernst nehmen

Die Wirtschaft wandelt sich. Und mit ihr auch die Lokalregierungen. Sie setzen sich ehrgeizige Ziele, weil in der Gesamtrechnung dadurch weniger Kosten anfallen. So entschied der Zürcher Kantonsrat die CO2-Neutralität bereits 2040 zu erreichen statt 2050 – so wie es bereits die Städte Zürich und Winterthur gemacht haben. Auch ein Absenkpfad liegt auf dem Tisch, was die Planungssicherheit erhöht.

 

Gegen das Vorhaben regt sich aber Widerstand, weil jeder Wandel auch Ängste schürt. SVP und FDP prüfen im Fall Zürich, das Referendum zu ergreifen. Ihr Argument: Es sei inakzeptabel bis 2040 alle fossilen Heizungen herausreissen zu müssen. Klar ist: Nachhaltige Lösungen müssen sozialverträglich sein. Klima-Massnahmen finden gesellschaftliche Akzeptanz, wenn sie auch sozial gerecht sind. Für Immobilien-Akteure heisst das, dass sie bezahlbaren Wohnraum bereitstellen und die soziale Durchmischung fördern müssen. Dafür fordert die Branche im Gegenzug den Abbau von Bürokratie.