Freihandelsabkommen mit der Kryptoindustrie

Susanne Kapfinger, Ökonomin und Leiterin Redaktion AWP Soziale Sicherheit

Die Kryptomärkte sind in Partystimmung. Sie feiern zwei Ereignisse: Den positiven Bitcoin ETF-Entscheid der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC und das Bitcoin Halving. Doch was heisst das, und warum sollte das auch konservative Anleger wie Pensionskassen oder Versicherungen interessieren? Die SEC hat nach vielen Jahren der Ablehnung die Anträge von Blackrock, Fidelity, VanEck und Co. genehmigt. Nun sind insgesamt 11 Bitcoin-Exchange Traded Funds (ETF) zum Handel zugelassen. Die regulierten Produkte legitimieren den Bitcoin als eigenständige Anlageklasse und Anlegerinnen und Anleger können in Bitcoin investieren, ohne den virtuellen Token halten zu müssen – die Notwendigkeit separater Kryptohandelskonten entfällt.

 

Integration in das Traditionelle

«Der Entscheid bringt Legitimität, Vertrauen und Integration in das traditionelle Finanzsystem», sagt Martin Burgherr, Chief Clients Officer der Sygnum Bank. Für die institutionelle Adoption sei das sicherlich zuträglich: «Es wird als Freihandelsabkommen zwischen der Wall Street und der Kryptoindustrie gewertet», sagt der Spezialist weiter. Damit hat sich das Tor in die traditionelle Finanzindustrie für digitale Assets weiter geöffnet. Davon profitiert etwa der Schweizer Pionier 21Shares. Vor fünf Jahren emittierte das Unicorn an der Schweizer Börse SIX das weltweit erste Krypto-ETP (Exchange Traded Product) und lanciert nun auch  einen Bitcoin-ETF in den USA. 

 

Verknappung  wirkt positiv

Das zweite Ereignis betrifft das nächste Bitcoin-Halving – es steht in weniger als 100 Tagen an. Der Halving-Mechanismus bedeutet eine Verknappung der verfügbaren Angebotsmenge von Bitcoin. Konkret: Die Menge der neu «geschürften» Bitcoin pro Block wird von 6.25 auf 3.125 Bitcoin halbiert. Der Halving-Mechanismus hat zwar nicht mehr denselben Einfluss auf die Verknappung der verfügbaren Angebotsmenge von Bitcoin wie früher. Der Grund: «Die Anzahl Bitcoin, die insgesamt geschürft werden können, ist technisch auf knapp 21 Millionen beschränkt, wovon mehr als 91 Prozent bereits im Umlauf sind», erklärt Yves Longchamp, CEO der Amina Bank (früher SEBA), im Marktbericht. Ein langsameres Angebotswachstum in Kombination mit einer steigenden institutionellen Nachfrage sei dennoch positiv und könnte mittel- und langfristig für einen Kursanstieg in den Kryptomärkten sorgen», ist Burgherr von Sygnum überzeugt.

 

Tokenisierung ist alles

Kryptowährungen wie Bitcoin sind nur ein Anwendungsfall der Blockchain respektive der Tokenisierung. Ein Token oder digitales Asset, das auf einer Blockchain-Plattform erstellt wird, kann verschiedene Vermögenswerte abbilden. Neben dem Zahltoken, gibt es Wertschriftentoken, Tauschtoken zur Nutzung bestimmter Dienstleistungen oder Funktionen oder NFT (Non-fungible token). Die Tokenisierung und deren Integration in den Finanz- und Unternehmenssektor nimmt rasant zu. Beispiele gibt es aus verschiedenen Branchen. In die Tokenisierung digitaler Sammlerstücke (NFT) haben sich etwa Starbucks, Nike und Reddit gewagt. NFT sind nicht replizierbare Blockchain-Adressen, die das Handeln digitaler Kunstwerke, wie auf dem traditionellen Kunstmarkt, ermöglichen. Bemerkenswert: Diese Tokenisierung findet trotz regulatorischer Unsicherheiten statt. Der Grund: Durch Tokenisierung lässt sich Kapitaleffizienz erzielen. Deshalb ist die Tokenisierung auch ein zentraler Anwendungsfall für traditionelle Finanzinstitute. 

 

Renditen auf der Onchain

Die Schweiz spielt im Tokenisierungsprozess eine relativ grosse Rolle (siehe Grafik links). Ein Grund mag der hierzulande bereits fortgeschrittene Regulierungsrahmen spielen. Die UBS hat 2023 zusammen mit Partnern das weltweit erste grenzüberschreitende Repo (Schweiz, Singapur, Japan) mit einer lokal ausgegebenen digitalen Anleihe abgeschlossen. «Die Transaktion wurde vollständig auf einer öffentlichen Blockchain unter einem strengen Compliance-Rahmen abgewickelt», sagt Mike Dargan, Chief Operations and Technology Officer der UBS Group, in einer Mitteilung dazu. 

 

Aktiv in der Tokenisierung von Obligationen sind auch Goldman Sachs, HSBC, oder Siemens. Der deutsche Technologiekonzern nahm Schulden in Höhe von 60 Millionen Euro auf mit einer Laufzeit von einem Jahr. Die digitalen Bonds wurden direkt an Investoren ausgegeben – ohne den Umweg über Finanzinstitute nehmen zu müssen. Mit Token lassen sich also Renditen erwirtschaften.  Laut dem Marktforschungsinstitut  RWA.xyz beträgt die laufende Rendite tokenisierter Privatkredite Ende 2023 durchschnittlich 9,6 Prozent. Im Vergleich dazu beträgt die laufende Rendite auf dem Bloomberg High Yield Bond Index 8,4 Prozent. Aufgrund der Kapitaleffizienz bei der Tokenisierung scheint es, lassen sich ähnlich hohe oder höhere Renditen erwirtschaften wie mit traditionellen Finanzinstrumenten (siehe Grafik rechts). Das zeigt ein erstes Rendite-Risiko-Profil digitaler Vermögenswerte.