«Falsch» diversifiziert
Susanne Kapfinger, Ökonomin und Leiterin Redaktion AWP Soziale Sicherheit
Das Vorsorgevermögen muss kategorisiert werden, um das Risikomanagement und die strategische Planung seriös durchführen zu können. Das Problem: Viele Anlagen weisen Eigenschaften mehrerer Kategorien auf. Das macht eine Einteilung schwierig. Insbesondere bei alternativen Anlageklassen sind die Grenzen oft fliessend.
Anlagen in Privatmarkt, Infrastruktur, Immobilien und Rohstoffe weisen jede für sich spezielle Merkmale auf. Infrastruktur bezieht sich beispielsweise auf Direktinvestitionen in Vermögenswerte, die Dienstleistungen für die Gesellschaft bereitstellen, wie Transport oder Energie. Diese Anlagen haben oft langfristige Cashflows und zeichnen sich durch geringe Volatilität aus. Die Anlageklasse Rohstoffe enthält physische Werte, deren Performance stark von externen Faktoren abhängt. Deshalb sind sie volatiler als Infrastruktur.
Gemischte Eigenschaften
Obwohl Rohstoffe eine eigenständige Anlageklasse darstellen, können sie in den Bereich Infrastruktur fallen. Zum Beispiel können Infrastrukturprojekte Elemente von Rohstoffinvestitionen enthalten, wenn sie sich etwa auf Öl- und Gasförderung zur Energiegewinnung beziehen. Dies geschieht häufig im Rahmen von Public-Private-Partnerships, indem der private Sektor in staatliche Infrastrukturprojekte investiert. Ebenso können Immobilienfonds in Infrastrukturprojekte investieren, wenn es um Krankenhäuser, Schulen oder Flughäfen geht. Aber auch Private Equity-Fonds investieren zunehmend in infrastrukturelle Vermögenswerte, wenn Wertsteigerungs- und Wachstumsstrategien umgesetzt werden. Das können Windkraft- und Solarkraftanlagen oder Datenzentren sein.
Erschwerte Zuordnung
Inbesondere die Energiewende bringt neue Anlageformen hervor, die sich nicht eindeutig in bestehende Anlageklassen einordnen lassen. Das führt zu Ungenauigkeiten bei der Risikobeurteilung. Da verschiedene Anlageklassen unterschiedliche Risikoprofile aufweisen, könnte eine «falsche» Kategorisierung das Gesamtrisiko des Portfolios verzerren. Mit anderen Worten: Die Unsicherheit über die Klassifizierung kann zu höheren Schwankungen in den Renditen führen respektive die Volatilität im Portfolio erhöhen.
Die Vermischung wirft auch aus Sicht der Aufsicht Fragen auf. Da Pensionskassen bei der Diversifikation des Vorsorgevermögens pro Vermögensklasse Anlagegrenzen berücksichtigen müssen. Für die Kategorie Infrastruktur besteht beispielsweise eine Obergrenze von 10 Prozent. Bislang sei aber die Unschärfe in der Abgrenzung nicht problematisch, versichert Marek Ondraschek, Leiter Finance&Risk Management BVS Zurich. Trotzdem erschwert die Vermischung der Kategorien die transparente Darstellung der Anlagen gegenüber den Aufsichtsbehörden, aber auch den Versicherten.
Hybride Kategorien
Diese Herausforderungen lassen sich mit verschiedenen Ansätzen bewältigen. Erstens brauchen alternative Vermögenswerte eine tiefere Analyse der Eigenschaften, um eine präzise Kategorisierung zu gewährleisten. Wichtig ist die Frage nach den Cashflows: Wie sicher sind sie? Stabile Erträge deuten auf Infrastrukturanlagen hin. Ist die Wertentwicklung jedoch nicht so sicher, dann sind vielleicht andere Kategorien zutreffender.
Zweitens könnte die Einführung hybrider Kategorien für mehr Transparenz sorgen. Dies würde zumindest die Zuordnung von Anlagen mit gemischten Eigenschaften erleichtern. Die Vermischung von Anlagekategorien birgt die Gefahr, dass die vermeintlich gute Diversifikation schlecht ist. Die Zuteilung in Vermögensklassen erfordert jedenfalls mehr Aufmerksamkeit von den Anlagegremien. Was meinen Sie dazu? Schreiben Sie uns (soziale-sicherheit@awp.ch).