«Diverse Regelungen erschweren die Koordination zwischen Sozialversicherungen»
Von Felix Weber, Vorsitzender der Geschäftsleitung SUVA
Die Suva ist die älteste Sozialversicherung in der Schweiz. Seit mehr als 100 Jahren machen wir Arbeit und Freizeit sicher und vermindern Leid aus Unfällen und Berufskrankheiten. Um die Prämien für unsere versicherten Betriebe tief zu halten, passen wir uns laufend den neuen Entwicklungen und Gegebenheiten an. So gelingt es uns, mit wirksamer Prävention, rascher Wiedereingliederung und stetig verbesserter Leistungsfähigkeit im Versicherungsbetrieb einen hohen Kundennutzen und tiefe Lohnnebenkosten sicherzustellen. Das Ergebnis: In der Berufsunfallversicherung ist das Unfallrisiko innert zehn Jahren um 10 Prozent gesunken. Zudem liegen die durchschnittlichen Prämien für unsere Versicherten heute auf dem Stand von 1984, als das Unfallversicherungsgesetz eingeführt wurde. Mit diesem Effort stärken wir die Leistungsfähigkeit des Werkplatzes Schweiz.
Besonders stolz macht mich, dass wir als erste Personenschadenversicherung im Jahr 2022 die Prozesse unseres Schadenmanagements weitgehend automatisiert haben und das, ohne die persönliche Betreuung der Versicherten zu vernachlässigen. Dank unserer Vorreiterrolle beim Einsatz von Machine Learning können wir Schadenfälle effizienter und effektiver abwickeln und gewinnen zugleich Zeit für die persönliche Betreuung von Menschen, die einen Schicksalsschlag erlitten haben. Die digitale Transformation zum Nutzen unserer Versicherten und Kunden ist ein kontinuierlicher Prozess und noch lange nicht abgeschlossen.
Damit wir in Zukunft die weitreichenden Chancen der Digitalisierung nutzen können, brauchen wir gesetzliche Grundlagen. Diese müssen umfassend und für alle Sozialversicherungen gleich sein. Leider erfolgten in jüngster Vergangenheit Änderungen in den Sozialversicherungen mehrmals unkoordiniert und nicht aufeinander abgestimmt. Diese Tendenz hat sich bei den gesetzlichen Grundlagen für die elektronische Kommunikation in den Sozialversicherungen aber auch bei der Weiterentwicklung der Invalidenversicherung oder der Anpassung der Hinterlassenenrenten gezeigt. Unterschiedliche Regelungen erschweren die Koordination zwischen den Sozialversicherungen, führen zu Ungerechtigkeiten und höhlen letztlich das bislang aufeinander abgestimmte System aus. Das bereitet mir Sorge.
Neben der Digitalisierung machen auch gesellschaftliche Veränderungen wie beispielsweise neue Arbeitsformen oder neue Wirtschaftsmodelle vor der Suva nicht Halt. Wir stehen diesen positiv gegenüber und setzen uns zugleich dafür ein, dass die soziale Sicherheit in der Schweiz gewahrt wird. Gerade im Niedriglohnbereich ist eine soziale Absicherung zentral und darf nicht durch neue Entwicklungen wie beispielsweise der Plattformarbeit gefährdet werden. Obschon manchmal der Sozialschutz und die Wettbewerbsfähigkeit als Antagonisten gelten, gehen diese aus meiner Sicht Hand in Hand. Nur sozial abgesicherte und gesunde Arbeitskräfte können sich auf ihre Arbeit konzentrieren, ihr volles Potenzial entfalten und dadurch ein Unternehmen zum Erfolg führen. Davon profitieren Arbeitgeber, Arbeitnehmende und die Gesellschaft als Ganzes.